Sprachenlernen in der Liebe

Sprechen Sie Englisch oder Französisch? Vielleicht. Und was ist mit Mandarin, Kisuaheli oder Quechua? Wohl eher selten. Wenn Sie also mit Chinesen, Tansanierinnen oder bolivianischen Indigenen reden wollen, brauchen Sie Geduld, Humor – und möglicherweise ein Wörterbuch.


Nur in der Liebe gehen wir davon aus, dass unser Lieblingsmensch dieselbe Sprache sprechen muss wie wir. Das ist – Entschuldigung – ignorant! Pastor Gerry Chapman beschrieb in seinem Bestseller die «Fünf Sprachen der Liebe». Ich glaube zwar, es gibt mehr, aber beginnen wir ruhig mit diesen.

Wenn Sie der Sprachgruppe «Berühren» angehören, dann ist Zärtlichkeit für Sie der höchste Ausdruck von Liebe. Sie möchten am liebsten dauernd Händchen halten, sich ankuscheln oder Sex haben. Sie fühlen sich vernachlässigt, wenn er nicht darauf eingeht – dabei hat er gerade Ihr Auto repariert, Ihre Steuererklärung überarbeitet oder die Küche aufgeräumt. Ganz nach dem Motto: «Liebe beginnt da, wo wir etwas füreinander tun können.» Seine Liebessprache ist «Helfen».

Wer «Zeit» für den wichtigsten Ausdruck von Liebe hält, eilt nach der Arbeit nach Hause und wartet sehnsüchtig auf die gemeinsam verbrachten Stunden. Und ist verletzt, wenn die oder der Liebste mal wieder zu spät kommt. Und übersieht womöglich, dass diese ihm etwas mitbringt – ein Geschenk oder eine Aufmerksamkeit von unterwegs – ausgewählt mit viel Zeit und Liebe. Er oder sie gehört zur Sprachgruppe «Schenken».

Finden Sie, gesprochene Worte wie «Ich liebe dich, weil du so wunderschön bist» oder «Ich bewundere dein Geschick, deinen Gleichmut, deine Kraft» oder «Du bist das grösste Geschenk für mich» sind der wahre Ausdruck von Liebe? Dann besteht Ihre Liebessprache aus «Lob und Anerkennung».

Wenn wir voneinander wissen, welche Sprachen der Liebe wir sprechen und verstehen, lässt sich ein Grossteil unserer Missverständnisse auflösen. Noch schöner ist es, die Sprache des Partners zu lernen – am besten von ihm oder ihr. Vielleicht sind wir erstmal AnfängerInnen darin, Geschenke auszusuchen, uns liebevoll zu berühren oder herauszufinden, wo er oder sie Hilfe braucht. Aber keine Sorge: Wir lernen stetig weiter. Und so lange wie arabisch oder hebräisch lernen, wird es nicht dauern.

Im besten Fall sind wir irgendwann polyglott in der Liebe – und entdecken zusammen neue Sprachen. Wie wäre es mit Geduld und Grosszügigkeit? Mit Offenheit? Flexibilität? Mit tiefem Zuhören? Mit Aufmerksamkeit – der Universalsprache in der Liebe, nicht nur in der Partnerschaft?

Und dann – für Fortgeschrittene: Können wir auch konstruktive Kritik als Liebessprache anerkennen? Oder ein klares und liebevolles Stopp da, wo wir merken, unser Liebster handelt nachlässig oder im Affekt gegen die eigene Liebe? Gar einen offen und ehrlich ausgetragenen Streit – natürlich mit anschliessender Versöhnung?

Darüber hinaus gibt es für Paare, die ein Leben lang zusammenbleiben wollen, eine Sprache, ohne die es nicht geht: Das gemeinsame Vorhaben. Ein Ziel oder eine Vision, für die sich beide begeistern. Für die sie bereit sind, alle sprachlichen Missverständnisse zu überwinden.

Und nun viel Freude beim Vokabellernen!

 

Leila Dregger ist Journalistin und Buchautorin. Sie begeistert sich für gemeinschaftliche Lebensformen, lebte u. a. über 18 Jahre in Tamera, Portugal, sowie in anderen Gemeinschaften. Am meisten liebt sie das Thema Heilung von Liebe und Sexualität sowie neue Wege für das Mann- und Frau-Sein.

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